Universität Konstanz, Fakultät für Mathematik und Informatik
Gereimtes und Ungereimtes über die Konstanzer Kollegen:
Es folgt ein Auszug aus der Dankesrede zu einem Festkolloquium, das
mir meine Konstanzer Kollegen im Mai 1996 zum 60-sten Geburtstag ausgerichtet
haben.
Der Kollegenkreis hat sich seither verändert: Hans-Berndt Brinkmann
ist nicht mehr unter uns. Die Informatik wurde durch die Berufung von Herrn
W. Pree vervollständigt (Stand: 1998).
Nachdem die Organisatoren, Vortragenden, Musikanten und Teilnehmer des
Festes bedankt waren, erhielt jeder Konstanzer Kollege eine Tischkarte
mit Komplimenten darauf als Geschenk. (Die Idee stammte aus einer Zeit,
als mir noch ein eher familiäres Geburtstagsessen im Kreise der Fakultät
vorschwebte.) Diese Tischkarten wurden an die Wand projeziert.
Die Verantwortung für den Inhalt der Komplimente wurde teilweise auf
die Zwangsjacke einer besonders strengen literarischen Form abgewälzt:
der Form des Schüttelreims. Ein Schüttelreim ist ein zweizeiliger
Reim, bei dem sich die letzten Silben der beiden Zeilen nur durch eine
Permutation der Anfangskonsonanten(gruppen) unterscheiden. Beispiel:
Wir
hoffen, dass die hei-le
Welt
noch
eine kleine Wei-le
hält.
Weiteres Beispiel (dem jungen Pianisten Erich Baur zugedacht):
Klavier
spielt' schon der Ru-bin-stein,
als
er noch garnicht stu-bin-rein.
Kompliziertere Permutationen sind denkbar. Im folgenden sind nicht die Permutationen, sondern die Kollegennamen farblich hervorgehoben. Der erste Vers ist kein Schüttelreim (er diente als Verständnistest), der zweite nicht einmal ein Reim (was im dortigen Kommentar begründet wird).
Hör, der Du jeden Argwohns bar
thel-ekratie ist die Gefahr!
Wie schön, dass es Baur gibt!
(Seine Studenten hatten die Werbeabteilung eines Versandhauses gleichen Namens angeschrieben.) Das ist mir aus dem Herzen gesprochen. Ich bin froh, dass die Studenten das genau so sehen, wie ich. Wir verwässern das nicht durch weitere Kommentare. `Wie schön, dass es Baur gibt': Daraus machen wir eine Tischkarte.
Das Amt ist eine Bürde wohl,
nur einer trägt's mit Würde: Bohl!
Was ich auch in die Küche brink
mann sieht, dass es in Brüche ging.
Der Vers scheint rätselhaft. Wird bei Herrn Brinkmann auf dem Esstisch
getanzt? Vielleicht hat Herr Brinkmann drei Töchter, und alle drei
sind Künstlerinnen. Das wäre eine Erklärung.
Vielleicht tanzt aber auch gar niemand auf dem Tisch, sondern der Tisch
tanzt im Zimmer herum, denn wir befinden uns mitten in einem Sturm auf
dem Atlantik, und die Küche ist eine Kombüse. Von der Uni her
kennen wir Herrn Brinkmann als geradlinig, kompetent, standfest und kameradschaftlich.
Das passt gut zu einem Segler auf den Weltmeeren. Wir ahnen: Herr Brinkmann
ist ein Abenteurer, und das heisst immer auch: ein unverbesserlicher Romantiker.
Ich biet, wenn ich zu streiten hoff
mann-chmal mit Absicht heitren Stoff.
Der Schüttelreim ist nicht ganz vollkommen: Das `r' hat sich beim Schütteln gelöst und ist an einen unvorhergesehenen Platz geraten, als sei auch es zum Scherzen aufgelegt. An Herrn Hoffmann gibt es noch viel zu rühmen. Statt das zu tun, will ich mit einer Frage schliessen: Warum, Herr Hoffmann, schreibt ein Mann mit Ihren Fähigkeiten zu dramatischen und witzigen Formulierungen ausschliesslich mathematische Lehrbücher, und nicht z.B. auch mal einen Krimi?
Willst Du nicht jäten, gut-kehr Laub,
zu seinem Sohn spricht Lud-ger Kaup.
Die schüttelnde Permutation ist hier nicht die übliche Transposition,
sondern der Dreierzykel (123). Inhaltlich scheinen die Zeilen recht harmlos
zu sein. In Wahrheit stecken sie jedoch voller Information über Herrn
Kaup:
1. Herr Kaup hat einen Garten, ist also bodenständig und damit traditionsbewusst.
2. Herr Kaup hat einen Sohn und dieser Sohn ist die Freude seiner Eltern.
(Sonst würde ihn der Schüttelreim nicht erwähnen.) Herr
Kaup ist also ein erfolgreicher Pädagoge. (Frau Kaups Erziehungsbeitrag
sei hier unterschlagen.)
3. Am Ende jätet Frau Kaup, nicht Herr Kaup. (Wenn er selbst jäten
müsste, würde er nicht `gut' sagen.) Also entweder der Sohn oder
die Frau jäten. Mit anderen Worten, Herr Kaup kann delegieren.
4. Herr Kaup hat Brüder, die ebenfalls bekannte Mathematiker sind.
(Denn ohne Verwechslungsgefahr würde der Schüttelreim seinen
Vornamen nicht erwähnen.)
5. Herr Kaup hat Sprachgefühl. (Sonst hätte er vielleicht gesagt:
`Wenn Du nicht jäten willst, also gut, meinetwegen kehr das Laub zusammen.
Also erst hol Dir 'ne Harke und dann kehr das Laub zusammen.' So redet
er aber nicht, sondern `Willst Du nicht jäten, gut - kehr Laub.' Das
ist klassische Diktion, eines Catos würdig.)
Er bleibt, ob man ihn faktisch prest
el-astisch, aber praktisch fest.
Herr Prestel ist also nicht wie der Käse in der Hand des tapferen Schneiderleins, sondern eher wie eine harte Nuss. Aber auch, wenn man sich bisweilen ärgert, dass man ihn nicht knacken kann, muss man ihm Respekt zollen ob seiner Konsequenz. Im Prinzip gebe ich ihm recht: Unsere Fakultät läuft eher Gefahr, zu viel zu beraten und zu planen, als zu viel zu forschen.
Kratzt man das Wachs hinweg per Kuppe,
so kommt zum Vorschein: Vol-ker Puppe.
Der Vers lässt einen zunächst etwas ratlos. Immerhin können
wir wie bei Herrn Kaup aus der Erwähnung des Vornamens schliessen,
dass Herr Puppe wenigstens einen Bruder hat, der auch ein bekannter Mathematiker
ist. Ausserdem werden wir auf Herrn Puppes Bescheidenheit und ruhige Selbstsicherheit
hingewiesen: Er kümmert sich gar nicht um das Wachs, das jemand auf
seinen Namen geträufelt hat, sondern wartet, bis wir es wegkratzen.
Der Schüttelreim lässt aber noch eine tiefere Deutung zu: Die
meisten unserer Verse enthalten als Fazit ein Kompliment, d.h. eine zugleich
vorteilhafte und glaubwürdige Feststellung über die besprochene
Person. Mit Herrn Puppe verhält es sich nun so, dass der Vergleich
mit ihm in unserer Fakultät als Kompliment gilt. So kann man z.B.
ohne weiteres sagen, jemand mache dies oder das so gut wie Herr Puppe (etwa
eine Kommission leiten, eine Vorlesung halten oder ein Instrument spielen).
Der Name `Volker Puppe' ist also schon ein Kompliment. Das Fazit des vorliegenden
Schüttelreims ist nun aber gerade dieser Name. Der Vers wendet demnach
das Kompliment `Puppe' auf den Mann `Puppe' an. Das kann nur bedeuten,
dass man Herrn Puppe vernünftigerweise nicht mehr dadurch loben kann,
dass man ihn mit anderen vergleicht: Volker Puppe ist eine Klasse für
sich.
Manch Wackrer wär noch wacke-rer,
wenn er, statt er, der Racke wär.
Ich find', dass man ihn scho-nen soll;
nie wieder kriegn wir so 'nen Scholl.
Zu Ehren von Jörg Stoß' Buch graben
wir `JUNKER JÖRG' in Groß- Buch-staben.
Der Vorname `Jörg' wird hier nicht auf Grund einer Verwechslungsgefahr erwähnt, sondern soll andeuten, dass wir unserem `Jörg' einen ähnlichen literarischen Erfolg wünschen, wie ihn der `Junker Jörg' hatte.
'Ne präsentable Lag' wär's nicht,
erstrahlte nicht Frau Wag-ner's Licht.
(Die schüttelnde Permutation ist der Dreierzykel (132).) Tatsächlich
ist Frau Wagner eine ganz ungewöhnliche Frau. Ihre Garderobe zeigt,
dass sie auch als Mode-Designerin Karriere gemacht hätte, wenn sie
sich damals für diesen Beruf entschieden hätte. Ihr politisches
Temperament und ihre Durchsetzungsfähigkeit sind in unserer Fakultät
sprichwörtlich. Ihre Vorlesungen sind brillant, und es gelingt ihr,
bestqualifizierten Nachwuchs nach Konstanz zu holen und hier zu halten.
Ausserdem - denke ich - haben wir sie alle ins Herz geschlossen.
Vergeblich sucht' Herr Watz-la-wek
heut seinen Latz: der Latz war weg.
Armer Herr Watzlawek! Er muss ohne Serviette auskommen und muss sich noch die Frage gefallen lassen, wieso er seine Serviette sucht, obwohl ihm doch mitgeteilt wird, dass seine Suche vergeblich sein werde. Solche Bosheit hat er überhaupt nicht verdient. Ich glaube, sein vertrakter Name ist schuld daran, dass der Schüttelreim in diese Schieflage geraten ist. Ich will mich bei Herrn Watzlawek im Namen seines Namens entschuldigen. Von dem Vers distanziere ich mich und lobe Herrn Watzlaweks Tüchtigkeit ohne Reimzwang: Er ist ein integrer Kollege, eine engagierter Vertreter seines Fachgebiets und ein hervorragender Lehrer, wie ich nicht nur von den Studenten höre, sondern auch aus eigener Anschauung weiss. Mit einem Wort: Herr Watzlawek ist eine wichtige Stütze unserer Fakultät.